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Neue Gene führen zur Arbeitsteilung in Insektenstaaten

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Studie zur unterschiedlichen Genexpression bei Ameisenkasten / Publikation in Molecular Ecology

23.01.2014

Neue Gene oder größere genetische Veränderungen spielen offenbar eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Ameisenstaaten mit ihren unterschiedlichen Kasten. Darauf deutet eine Untersuchung von Evolutionsbiologen an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) hin. Dr. Barbara Feldmeyer vom Institut für Zoologie und ihre Kollegen sind der Frage nachgegangen, wie es zur Ausprägung der sehr unterschiedlichen Kasten kommt. Ameisenstaaten bestehen in der Regel aus Königinnen und Arbeiterinnen, wobei Arbeiterinnen noch weiter differenziert sein können in Abhängigkeit von Tätigkeit in der Brutpflege, Futtersuche oder Nestverteidigung. Die Spezialisierung geht mit morphologischen und physiologischen Unterschieden einher: Königinnen, die ausschließlich für die Reproduktion zuständig sind, leben bis zu 30 Jahre im Vergleich zur kurzen Lebensspanne der Arbeiterinnen von nur wenigen Monaten bis Jahren. Ein anderes Beispiel sind Ameisensoldaten: Sie können bis zu 100 Mal mehr wiegen als ihre Schwestern, die Brutpflege betreiben.

Die unterschiedliche Ausprägung von Königinnen und Arbeiterinnen erfolgt vor demselben genetischen Hintergrund. Die verschiedenen Phänotypen kommen durch unterschiedliche Fütterung der Weibchen in der Larvalphase zustande. Normalerweise ist die Königin in einem Nest das einzige fortpflanzungsfähige Individuum. Wird sie jedoch entfernt, entwickeln junge Brutpflege-Arbeiterinnen ihre Eierstöcke und beginnen mit der Fortpflanzung. Diese Eigenschaft haben sich die Mainzer Wissenschaftler zunutze gemacht und bei der Ameisenart Temnothorax longispinosus fruchtbare Brutpflege-Arbeiterinnen erzeugt. Sie verglichen diese fruchtbaren Brutpflege-Arbeiterinnen mit unfruchtbaren Brutpflegerinnen, mit Königinnen und mit futtersuchenden Arbeiterinnen, um festzustellen, welche Gene den gravierenden Unterschieden im Verhalten, in der Fertilität und der Langlebigkeit zugrunde liegen.

"Wir haben damit ein wunderbares Forschungsfeld für Polyphänismus, also die Situation, dass aus ein und demselben Genom verschiedene Phänotypen entstehen können, die sich in ihrer Morphologie, ihrem Verhalten und ihrer Lebensgeschichte unterscheiden", so Feldmeyer. Die RNA-Sequenzierung des Erbguts umfasste pro Probe bis zu 100 Millionen Reads, also kurze Sequenzabschnitte mit etwa 100 Basenpaaren. Es zeigte sich, dass die größten Unterschiede in der Genexpression zwischen der Königin und den Arbeiterinnenkasten bestehen, die kleinsten zwischen den unfruchtbaren Brutpflegerinnen und den futtersuchenden Arbeiterinnen. Die fruchtbaren Brutpflegerinnen nehmen eine Zwischenstellung zwischen der Königin und den unfruchtbaren Arbeiterinnen ein.

Bei der Ameisenkönigin werden viele kastenspezifische Gene exprimiert, von denen aus dem Vergleich mit anderen Arten bekannt ist, welche Funktion sie erfüllen. Dies ist bei den Arbeiterinnen nicht der Fall. Hier konnten knapp die Hälfte der charakteristischen Arbeiterinnengene mit keiner bekannten Funktion in Verbindung gebracht werden. "Entweder handelt es sich dabei um stark veränderte Gene oder um komplett neue entstandene Gene", erklärt Feldmeyer. Dass bei Arbeiterinnen stärker abgeleitete Gene exprimiert werden, scheint angesichts der Evolution von staatenbildenden Insekten und der Entstehung von Arbeiterinnen aus Königinnen stimmig zu sein. Der Arbeiterinnenphänotyp geht also auf neue oder relativ stark veränderte Gene zurück, während bei Königinnen ein genetischer Bauplan umgesetzt wird, der mit den solitären Hautflüglern vergleichbar ist, von denen die Ameisen abstammen.

"Die Studie zur unterschiedlichen Genexpression bei Ameisenkasten zeigt, welchen Umbruch wir derzeit in der Biologie erleben", erläutert Univ.-Prof. Dr. Susanne Foitzik, Leiterin der Arbeitsgruppe Evolutionsbiologie in Mainz. Mit der RNA-Sequenzierung können die Wissenschaftler tiefgehende molekulare Informationen auch für Organismen erhalten, die nicht zu den klassischen Modellorganismen der Biologie zählen wie etwa die Taufliege Drosophila. "Jetzt können wir auch Arten untersuchen, die für ihre Komplexität im Sozialverhalten bekannt sind. Daneben erlauben Ameisen Einblicke in Gene, die der ungewöhnlichen Langlebigkeit und Fruchtbarkeit der Königinnen zugrunde liegen", so Foitzik. Die Arbeitsgruppe wird auf diesem Gebiet in Zukunft weiter forschen, insbesondere im Rahmen des neuen Forschungsschwerpunkts "Gene Regulation in Evolution and Development (GeneRED)" des Fachbereichs Biologie und des Instituts für Molekulare Biologie (IMB).

Authors: Johannes Gutenberg-Universität Mainz

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